26. August- meterologischer Sommer. Aber an diesem Sonntag im August dachte sich der liebe Wettergott, wozu Hitze, wenn ich es auch schneien lassen kann. Zumindest meine Kollegen in Salzburg beim Ironman 70.3 in Zell am See wurden damit konfrontiert, dass die Radstrecke wegen Schneetreiben komplett gestrichen wurde. Wir dagegen, im flachen Burgenland ernteten beim Ladiestriathlon in Breitenbrunn „nur“ Dauerregen, Wind und frische 13 Grad.
Etwas gehadert habe ich schon mit mir, als ich von diesem Wettereinbruch gehört habe. Soll ich wirklich antreten? Regen und Wind? Nicht schon wieder, irgendwie habe ich immer Pech beim Triathlon.
„Wenn du aufgeben willst, überlege wieso du angefangen hast!“.
7 Monate habe ich darauf hin trainiert endlich kraulen zu lernen. Mittlerweile kraule ich 2000m am Stück, das darf nicht umsonst gewesen sein. Nein, aufgeben war keine Option. Dieser Triathlon war schließlich das Highlight meiner Wettkampfsaison. Das Wasser im Neusiedlersee wurde mit 19 Grad prognostiziert. Die Nacht davor schlief ich etwas unruhig, ich lauschte dem Wind, hörte den Regen prasseln und hoffte, dass der Start zumindest windschonend sein würde. Kein Wind bedeutet auch keine Wellen. Keine Wellen bedeutet kein Wasser schlucken beim Kraulen :). Mir wurde kalt bei dem Gedanken, dass das Wasser auch nur 19 Grad hatte. Ich vertraute darauf, dass mich das Adrenalin schon wärmen wird und mich irgendwie durch den Wettkampf trägt.
08:30 Uhr: Zum Frühstück aß ich 2 Semmeln mit Honig und Marmelade- bestes Wettkampffrühstück! Mehr über Ernährung vor und nach dem Wettkampf erfährst du HIER.
10:00 Bike Check-In in der Wechselzone. Mein Freund versprach mir einen aufmunternden Kaffee. Ich blickte mich langsam um, während ich am Becher nippte: die Zuseher wirkten angespannt, sichtlich besorgt und bemitleidend um ihre tapferen Athletinnen und Angehörigen. Plötzlich sah ich sogar eine Frau mit Schafswolldecke eingewickelt auf den Boden starrend. Haben wir wirklich August? Bei dem Anblick würde keiner vermuten, dass wir in Kürze ins kühle Nasse hüpfen mussten und uns das sogar Spaß machen sollte. Kurz spekulierte ich doch mit dem Gedanken den Neoprenanzug für den Schwimmbewerb anzuziehen. Triathlon soll ja auch kein Spaziergang sein, sondern eine Herausforderung! Ach was soll’s, ich lass es- das geht schon irgendwie 🙂 Daher entschied ich mich gegen den Anzug, in der Hoffnung, dass das 19 Grad kalte Wasser wärmend wirkt auf die gekühlte Haut. Dass ich einfach nur zu faul war dieses Ding anzuziehen muss ich ja nicht offiziell erwähnen 😛
10:20: viel wichtiger als ein Neopren, war der geplante WC- Gang vor einem Wettkampf. Zeit, der Natur ihren Lauf zu lassen. Der Kaffee zeigte seine Wirkung, wunderbar! Jetzt kann wirklich nichts mehr schief gehen!
10:45- 15 Minutes to go! Nach der Wettkampfbesprechung gingen wir Athletinnen geschlossen zum Startbereich ans Ufer. Schweigende Stimmung, einige hatten bereits die windschützenden Jacke ausgezogen. Mutig! Ich war entschlossen meinen Pullover und die Windjacke so lange wir möglich anzubehalten, um eine Auskühlung zu vermeiden. Wer hat den Film „The green mile“ gesehen? Irgendwie kam ich mir vor wie auf dem Weg zum Schlachter, der Weg ins Unbekannte. Klingt dramatisch, aber so lässt sich diese nervöse Stimmung am besten beschreiben. Keiner wusste genau, wie sich das Wetter auf den Körper und die Leistung auswirken würde. Einige Damen hüpften quietschvergnügt in der Gegend auf und ab, ich bin eher der Typ, der ruhig, konzentriert und wortlos in die Gegend starrt.
Ich versuchte den Ablauf des kommenden Rennes im Kopf durchzugehen. Das gab mir Kraft und Sicherheit. Ich fühlte mich plötzlich wie ein Stein in der Brandung, voller Energie und Konzentration. Kälte? Egal! Ja, ich bin bereit! 19 Grad, ich komme!
10:50- ich legte mein Gewand ab und machte es den wenigen Über- Übermotivierten gleich: Ich stieg schon vor Startschuss luftanhaltend ins kühle Nass. Ich schloss meine Augen, versuchte gedanklich den schlammigen trüben, kalten Neusiedlersee gegen 30 Grad auf einer Pazifikinsel mit Mojito in der Hand zu tauschen, gelang mir allerdings nicht sehr lange. Mein Körper glitt ins Wasser und ich versuchte mich dabei routiniert und cool wirken zu lassen, nachdem wir von Zusehern umzingelt waren. In Wirklichkeit schnürte die Kälte mir die Kehle zu. Mein Atem wurde flach und schnell- normale Symptome in so einer Situation. Die Gefäße verengten sich aufgrund der Kälte, der Kreislauf musste sich an die neue Situation anpassen. Nach ein paar Zügen Brustschwimmen versuchte ich meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, den Kopf langsam im Schwimmrythmus ins Wasser zu senken und sogar einige Züge zu kraulen. Mit jedem Zug ging es mir viel besser und konnte es kaum erwarten, das es endlich los ging. Es war eine gute Idee den Körper ans kühle Wasser zu akklimatisieren. Kann ich nur jedem empfehlen, der genauso verrückt ist einen Triathlon zu machen.
Kurz vor Startschuss mussten sich alle Teilnehmerinnen zum Ufer begeben. Ihr könnt euch vorstellen, dass das kein Honigschlecken war aus den „angenehmen“ 19 Grad in windige 13 Grad rauszugehen.
11:00 Startschuss! Endlich! Ich startet mit der schnellen 1. Welle ins Wasser. Der Grund weshalb ich die fortgeschrittene Welle wählte, war mein Ansporn an den Flotten dranzubleiben, aus Rücksicht stellte ich mich allerdings ganz nach hinten, um niemanden zu behindern, weil ich eigentlich alles andere als schnell war. Die Strategie erwies sich als erfolgreich, ich blieb an den Letzten dran und hatte genügend Platz für meine Züge. Aus einem antrainierten 3er Atemzug wurde zwar ein 2er Zug, aber ich war stolz die ganzen 500m ohne Panikattacken durchzuhalten. Panik bekam ich nur, als die Beine ab und zu Richtung Boden sanken. Wer den Neusiedlersee kennt, weiß warum. Der Seeboden ist verkleidet mit einen schleimigen, veralgten tiefen Teppich. Und trotzdem wählten ein paar Athletinnen den Weg zu Fuß, was mich sehr wunderte. Es war so ein tolles Gefühl im Freiwasser zu kraulen: ohne Panik, ohne Atemnot, ohne den Tränen nahe zu sein. Die letzten Triathlons habe ich brustschwimmend überwunden und ich schämte mich immer dafür. Meistens war ich auf mich selbst sauer, warum ich mir selbst im Weg stehe. Aber diesmal gelang es mir, auch wenn mein Freund neckisch meinte, dass ich schneller hätte sein können. Papperlapapp, ist mir Wurst! Insgesamt kam ich als 71. von 130 aus dem Wasser.
Mit Austritt aus dem Wasser machte sich die Kälte im nassen Trisuit, nassen Füßen und Haaren so richtig bemerkbar. Die Beine waren etwas steif, die Zehen sowieso und fühlten sich unkontrollierbar an. Endlich angekommen bei meinem Wechselplatz, suchte ich mein Handtuch, musste mich kurz an meinem Rad festhalten, in meinem Kopf schwirrte noch das Wasser herum und sorgte für kurzzeitige Verwirrung. Nach wenigen Sekunden gewann ich meine Orientierung wieder zurück, zog die Socken an, Radschuhe, setze den Helm auf, meine Brille- oh das Startnummernband. Über die Beine? Über den Kopf ziehen? Wie war das nochmals? Aufmachen? NEIN! Nicht aufmachen, das kostet Zeit und Nerven. Ich wurschtelte es wie ein Shirt über den Kopf zur Erheiterung meines routinierten Ironman- Freundes, und startete mit dem Rad Richtung Radstrecke. Nervös stieg ich aufs Rad auf, in der Hoffnung vor lauter Zittern die Clickpedale nicht zu verfehlen. Die ersten Kilometer überlebte ich fast wie in Trance, ich krallte mich wie festgefroren an meiner Lenkstange fest. Mein Kiefer krampfte, ich bibberte und versuchte noch mehr Kraft in die Pedale zu bringen, um gegen das Kältegefühl anzukämpfen. Schneller, schneller, schneller!
Nach 10 Kilometer riss ich mir präventiv ein Powergel auf, um später ein Leistungstief zu vermeiden. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über 28km/h battelte ich mich mit einer Gruppe von ein paar Damen. Im letzten Abschnitt hängte ich aber endlich alle ab und raste auf der flachen (wirklich flach!) 20 Kilometerstrecke Richtung Wechselzone. Radfahren war meine stärkste Disziplin, trotz Gegenwind machte ich 30 Plätze gut und landete im vorderen Drittel der Gesamtwertung. Yeah! Die Motivation stieg ins Unermessliche!
Nun startete die letzte Disziplin: Laufen. Die ersten 2km Laufen nach dem Radfahren sind immer die allerhärtesten. Ein Gefühl für schnell oder langsam hat man nicht, wenn sich die Muskeln von der zirkulierenden monotonen Bewegung des Radfahrens auf Laufen umstellen müssen. Man fühlt sich, als hätte man unökonomisch funktionierende Holzbeine. In Wirklichkeit aber machte sich dieser unkoordinierte Kampf von außen gar nicht bemerkbar für die Zuseher. Zum Glück hatte ich meine Uhr dabei, die mir verriet, dass meine Pace ausreichend schnell genug war. Für meinen Freund vermutlich immer noch zu langsam :P. Laufend wurde mir nun wieder richtig warm, die Kälte wich einer wohligen Wärme, ich spürte meine Zehen wieder. Hurray! Leider haben mich doch wieder ein paar Damen überholt, das machte aber nichts. Die Stimmung war super im Zuschauerbereich und auch wenn ich mit einer Pace von 5:48min/km sehr zufrieden war, verlor ich fast 20 Plätze nach dem Laufen und kam letzten Endes als 58. ins Ziel mit einer Gesamtzeit 1:28:37.
Meine ersten Gedanken im Zieleinlauf: Was? Schon vorbei? Ok, nächstes Jahr olympische Distanz! Aber FIX!
Freudestrahlend nahmen mich mein Freund und meine Tochter in Empfang, ich war so happy, dass alles gut gegangen war, ich angetreten bin und immer die Ruhe bewahrt habe. Und das Wichtigste: das war der erste Triathlon, der mir wirklich Spaß gemacht hat. Zum einen, weil ich endlich mit den kraulenden Athletinnen in einer Liga geschwommen bin und das unheimlich motivierend war, zum anderen weil ich mir vorgenommen habe Ruhe zu bewahren und mich nicht stressen zu lassen- weder im Wasser, noch in der Wechselzone. Früher war ich viel zu hektisch, nervös und der Puls unkontrollierbar hoch. Ich habe viel zu sehr an mir gezweifelt, immer Angst gehabt als Letzte ins Ziel zu kommen. Die Angst kam daher, dass ich in der Schule einfach nie die Schnellste war im Ausdauersport. Das versagende Gefühl hat mich immer sehr lange begleitet und habe ich für heute abgelegt.
Triathlon hat mich gelehrt, dass ich gut bin so wie ich bin. Es gibt nicht DEN richtigen Weg, es gibt nur DEINEN richtigen Weg. Es wird immer Konkurrenten geben, die schneller sind.
„Am Anfang ist es schwer zu verstehen, dass es nicht darum geht die anderen Läufer zu besiegen. Schließlich lernst Du, dass der Gegner die kleine Stimme in Dir ist, die will das Du aufgibst.“
George Sheehan
…und aufgeben tut man einen Brief.
Der einzige Mensch, mit dem ich in Konkurrenz gehen muss, bin ich selbst- frei nach dem Motto „Better than yesterday“. Auch im Wettkampf ist es wichtig das nervöse Gewusel um sich herum auszublenden, zumindest für jene Momente, die negativen Stress machen. Das traf auf mich immer beim Schwimmen zu. Ich freue mich daher schon auf den nächsten Triathlon.
Mit jeder Herausforderung wächst man, und noch mehr bei Regen, Wind und 13 Grad 🙂
„The women who starts the race is not the same woman who finish the line!“